Am 29. Juni 2023 trat die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) in Kraft. Und auch wenn diese insbesondere im Agrarsektor (Rinderzucht, Soja-, Palmölplantagen etc.) die Degradation von Wäldern verhindern sollte, bringt sie auch für den Handel mit Holz eine Reihe von zusätzlichen Pflichten sowie vorübergehende offene Fragen mit sich. Um letztere möglichst schnell zu klären beziehungsweise eine vorläufige Interpretation der Verordnung bereitzustellen, hat die GD Holz Service GmbH am 26. Juni 2023 ein Webinar veranstaltet, das im Rahmen des von der EU geförderten Projekts LIFE Legal Wood stattfand. Darin gaben die Experten Auskünfte über bereits feststehende Eckdaten sowie über die mögliche konkrete Praxisbedeutung, die in 18 Monaten - also am 30. Dezember 2024 auf den Handel zukommt. Franz-Xaver Kraft, Lydia Afriyie-Kraft und Jörg Schwabe betonten dabei mehrfach, dass es sich um nicht gesicherte Einschätzungen aufgrund eigener Recherchen handelt. Eine Gewähr gab man daher nicht - dafür fundierte Deutungen des mittlerweile veröffentlichten EU-Dokuments. Schließlich wird die konkrete Anwendung durch die Behörden entscheidend sein. Mit der bisher erworbenen EUTR-Erfahrung sowie mit dem Wissen aus diversen Gremien wagte man daher einen Blick in die Glaskugel. Der GD Holz selbst wird sich während der Konkretisierungsphase entsprechend in diesen Prozess einbringen, um eine möglichst gute Handhabbarkeit zu gewährleisten.
Kraft gab den mehr als 200 Teilnehmern des zweiten Webinars seiner Art zunächst einen zeitlichen Überblick und stellte klar, dass die ab dem 30. Dezember 2024 ersetzte EUTR für Holzeinschlag, der vor dem 29. Juni 2023 stattgefunden hat, noch drei Jahre lang gilt. Wie mit Spezialitäten und Ladenhütern umzugehen ist, die vor diesem Datum geerntet wurden, aber bis zum 30. Dezember 2027 nicht verkauft werden konnten, bleibt abzuwarten beziehungsweise zu verhandeln.
Sicher ist der geltende Anwendungsbereich, der in Bezug auf Holz und Holzprodukte über den der EUTR hinausgeht. So gilt die EUDR für das komplette Kapitel 44 der Kombinierten Nomenklatur, also etwa auch für Brettschichtholz, Fensterkanteln, Massivholzplatten, Holzkohle, Holzpfähle, Werkzeugstiele, Intarsienarbeiten und Holzwolle sowie -mehl. Hinzu kommen Sitzmöbel sowie bedrucktes Papier. Ausnahmen bilden Recycling-Produkte, wie etwa aus Altholz, sowie Produkte im Anwendungsbereich, die kein Holz enthalten.
Und auch der Kreis der betroffenen Akteure wird mit der EUDR erweitert. So ist damit jeder Exporteur nun auch Marktteilnehmer. Genauso gelten auch Verarbeiter als Inverkehrbringer, wenn diese aus dem Holz(produkt) eine Ware erzeugen, die unter eine andere Tarifnummer fällt. Marktteilnehmer dürften laut dieser Interpretation künftig also Importeure, Exporteure, Betriebe, die in der EU Holz einschlagen, sowie diverse weiterverarbeitende Unternehmen sein.
Ebenfalls wie Marktteilnehmer behandelt werden mit der EUDR auch Nicht-KMU-Händler, die also am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei in der entsprechenden EU-Richtlinie genannten Größenmerkmalen (Bilanzsumme: 20 Mio. €; Nettoumsatzerlös: 40 Mio. €; Durchschnittliche Zahl der Mitarbeiter: 250) überschreiten. Dabei dürften jedoch stets einzelne Unternehmen gemeint sein und keine Unternehmensgruppen.
Wozu die unterschiedlichen Akteure durch die EUDR verpflichtet werden, fasste Kraft ebenfalls zusammen, denn dies variiert. Erstinverkehrbringer, große Händler und Importeure müssen im Rahmen des entsprechenden Sorgfaltspflichtsystems die Ware vor dem Inverkehrbringen auf Entwaldung, Waldschädigung und Produktion gemäß lokaler Gesetze prüfen und für jede einzelne Lieferung eine Sorgfaltserklärung (SE) erstellen. Marktteilnehmer in der Lieferkette dürfen sich dabei auf die SE ihrer Lieferanten beziehen. Ohne Abgabe einer SE erfolgt keine Zollfreigabe im Im- und Export. Die SE kann dabei wohl auch von einem Bevollmächtigten (Waldbauernverband etc.) abgegeben werden. Ein Informationssystem, in das die SE hochgeladen werden soll, soll zur Verfügung gestellt werden. Dieses führt auch eine grobe Plausibilitätsprüfung durch, etwa, ob die angegebenen Flächen auch wirklich auf dem Land liegen. Mit der Abgabe der SE übernimmt man wiederum die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Ware.
Der Inhalt einer SE soll aus dem Namen und der Anschrift des Marktteilnehmers bestehen – gegebenenfalls auch der EORI-Nummer – sowie eine Beschreibung des Produkts samt Menge und Baumart, das Land des Holzeinschlags inklusive Geokoordinaten und auch die Referenznummer bereits bestehender SE zu dieser Lieferung. Ebenfalls soll darin bestätigt werden, dass ein Sorgfaltspflichtsystem angewendet wurde und das Produkt ein geringes Risiko aufweist.
Was den Datenschutz betrifft, sollen ausschließlich Zoll und Behörden die eigentliche SE einsehen können. Die Lieferkette selbst arbeitet mit Referenznummern beziehungsweise soll über Token steuern können, welche Informationen eingesehen werden können. Der Lieferantenschutz bleibt hier in einigen Szenarien noch ein Sorgenkind, bis konkrete Lösungen für die Informationsweitergabe gefunden sind.
KMU-Händler und Verarbeiter von Holz, die keine Erstinverkehrbringer sind – also Marktteilnehmer -, müssen nämlich keine SE erstellen, aber die bereitgestellten Informationen ihrer Lieferkettenvorgänger und -nachfolger sammeln und für fünf Jahre speichern. Wie genau ein solcher Marktteilnehmer im Zweifelsfall dann wirklich haftbar und verantwortlich sein soll, bleibt dabei noch fraglich.
Nicht-KMU-Händler müssen eine SE abgeben und haben zusätzlich die Aufgabe, sicherzustellen, dass die Lieferanten ein korrektes Sorgfaltspflichtsystem angewendet haben. Hier wird voraussichtlich eine Plausibilitätsprüfung erforderlich sein. Was genau gilt, wenn sich ein KMU-Händler mitten in der Lieferkette befindet, der außer der Referenznummer keine weiteren Legalitätsnachweise weitergeben muss, wird noch geklärt werden müssen. Denkbar sind vertragliche Vereinbarungen, die die Informationsweitergabe des Vorgängerlieferanten vorsehen. Denn andernfalls ist auch hier die Haftbarkeit kaum händelbar. Exporteure wiederum haben - je nach Unternehmensgröße - dieselben Verpflichtungen wie KMU- und nicht-KMU-Marktteilnehmer.
Ein wenig Erleichterung bei all dem soll die “Vereinfachte Sorgfaltspflicht” bringen. Diese sieht eine Einteilung aller Länder weltweit in solche mit geringem, normalem und hohem Risiko für Entwaldung vor. Für Holz, das in einem Land mit geringem Risiko eingeschlagen wurde, soll im Rahmen des Sorgfaltspflichtsystems einzig die Informationssammlung verpflichtend sein. Risikobewertung und -minderung können ausbleiben. Wobei die Informationssammlung in den meisten Fällen ohnehin den größten Aufwand bedeuten dürfte - und zudem verglichen mit der EUTR um Nachweise zur Einhaltung der Menschenrechte sowie im Erzeugerland geltenden Steuer- und Arbeitsrechte ergänzt wird. Außerdem werden Nachweise zum Ausschluss von Korruption sowie zum vorherigen Dialog mit Stakeholdern - etwa der indigenen Bevölkerung - erforderlich sein. Die besagte Länderliste wird wohl erst Ende 2024 fertig sein.
Ebenfalls zur Informationssammlung gehören genaue Geokoordinaten - mit sechs Dezimalstellen - des Flurstücks, auf dem das Holz eingeschlagen wurde. Unter 4 ha genügt hier ein Punkt, darüber wird ein Polygon gefordert. Zudem müssen stets wirklich alle möglichen Ursprungsflurstücke angegeben werden. Neben Google Maps gibt es da natürlich auch andere Quellen, weswegen stets das verwendete Koordinatensystem anzugeben ist.
Es ist außerdem ein Nachweis zu erbringen, dass das Produkt nicht zur Entwaldung oder Waldschädigung beigetragen hat. Im Zweifelsfall sollte hier die genaue Definition von Wald herangezogen werden. Generell gelten Plantagen und Kahlflächen, die aus Ernte oder Kalamitäten entstanden sind, ebenfalls als Wald - Agroforstbetriebe nicht. Entwaldung wiederum ist ausschließlich die Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Nutzfläche - beispielsweise nicht der Bau von Straßen. Stichtag für die Bewertung, ob Entwaldung stattgefunden hat, ist der 31. Dezember 2020. Holz von Flächen, die bis zu diesem als Wald galten und danach entwaldet wurden, dürfen nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Um diesen Status wiederum vom heimischen Schreibtisch aus in Erfahrung bringen zu können, lassen sich verschiedene Dienste heranziehen. Bis Ende 2024 dürften verschiedene, einfach nutzbare Tools entstehen. Die GD Holz-Service GmbH will ein solches bereitstellen.
Waldschädigung wiederum ist die Umwandlung von Primärwald oder eines sich natürlich verjüngenden Waldes in gepflanzten Wald, Plantagenwald oder sonstige bewaldete Flächen. Der 31. Dezember 2020 ist auch hier der Stichtag. Nicht eingeführt werden darf Holz, das aus Flächen stammt, die nach diesem Datum vom Status eines Primärwaldes auf den eines gepflanzten oder Plantagenwaldes - oder einer sonstigen bewaldeten Fläche - degradiert wurden beziehungsweise vom Status eines sich natürlich verjüngenden Waldes (mehr als 50% des Endbestands stammt aus Naturverjüngung) auf den eines Plantagenwaldes oder einer sonstigen bewaldeten Fläche. Wie genau insbesondere der naturverjüngte vom gepflanzten Wald definitiv unterschieden werden soll, bleibt abzuwarten. Denkbar ist etwa die Nutzung von Satellitenbildern, Waldbewirtschaftungsplänen oder eine eigene oder externe Prüfung. Holzentnahme und Pflanzung in Primärwäldern sind aber unter der EUDR nicht generell geächtet.
Ist eine Risikobewertung erforderlich - also im Falle einer Standard-Sorgfaltspflicht und keiner “Vereinfachten Sorgfaltspflicht” -, gibt die EUDR entsprechende Kriterien vor, die laut Afriyie-Kraft zwischen einem vernachlässigbaren und nicht-vernachlässigbaren Risiko unterscheiden lassen. So fließt etwa die Länderbewertung genauso ein wie Hinweise auf Entwaldung oder Waldschädigung in der spezifischen Region aber auch Korruptionsprobleme, das Aufkommen bewaffneter Konflikte sowie die Kooperation mit etwaigen indigenen Bevölkerungsgruppen und deren Ansprüche an die Produktionsfläche. Zudem sind Risiken bezüglich einer Vermischung mit illegaler Ware und begründete Bedenken Dritter, die seitens der Behörden zu prüfen sind, zu beachten und es ist eine Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Und die Komplexität der Lieferkette fließt ebenfalls in die Bewertung ein.
Eine FSC- beziehungsweise PEFC- Zertifizierung gilt mit der EUDR weiterhin nicht pauschal als ausreichende Risikominderungsmaßnahme, wirkt sich aber dennoch positiv aus. Einfuhren aus FLEGT-Ländern gelten weiterhin pauschal als legal. Die Entwaldung und Waldschädigung müssen dennoch geprüft werden. CITES findet in der EUDR keinerlei Erwähnung. Die Lizenz wird aber eventuell auch als Legalitätsnachweis nutzbar sein. Von Zusatzinformationen über Audits von unabhängigen Dritten bis hin zu wissenschaftlichen Gutachten werden derweil wohl, wie schon unter der EUTR, im Zweifel sämtliche Register zu ziehen sein. Risikomanagementpraktiken, eine umfassende Berichterstattung - und bei Nicht-KMU-Marktteilnehmern auch die Ernennung eines Compliance-Beauftragten auf Managementebene - dürften erforderlich werden. Auf große Unternehmen kommt in jedem Fall das Verfassen jährlicher Berichte über die Anwendung der EUDR zu.
Aktuell hat man weltweit jährlich einen Waldverlust von 10 Mio. ha zu beklagen. Für 10% - also 1 Mio. ha - der durch Landnutzung verursachten Entwaldung sind EU-Importe verantwortlich. Überragender Haupttreiber (verantwortlich für 90 bis 99% in den Tropen laut aktuellen Studien) ist aber die Landwirtschaft und nicht der Holzeinschlag. Entsprechend kann man sich fragen, ob die Aufnahme von Holz in diese Verordnung wirklich in der Lage sein wird, nennenswerte Verluste zu vermeiden, während ihre Umsetzung - eventuell unnötig - vielen Unternehmen weiteren Aufwand beschert und - wie bereits im Rahmen der EUTR geschehen - denjenigen Ländern, die sich am striktesten daran halten, zudem auch noch Importgeschäfte vermiest, weil man anderswo einfacher auf den EU-Markt gelangt. Genau bei diesem Punkt setzt die GD Holz Service GmbH jedoch größere Hoffnung in die EUDR, die die EUTR ersetzt, da diese neben der Haftbarkeit jedes einzelnen Teils der Lieferkette auch die Prüfbehörden selbst mit Mindestauflagen stärker in die Pflicht nehmen soll. So werden die Behörden verpflichtet, 1% der Einfuhren aus Ländern mit geringem Risiko zu prüfen sowie 3% aus Ländern mit normalem Risiko und 9% aus Ländern mit hohem Risiko. Damit will man eine Verlagerung des Handels in weniger strikte Mitgliedstaaten verhindern. Auch soll ein hoher Strafrahmen angesetzt werden – die Maximalstrafe soll mindestens 4% vom Umsatz des Marktteilnehmers in der EU betragen. Dies bleibt aber im Ermessen der Behörden. Auch eine “Schwarze Liste” mit Unternehmen, die wegen EUDR-Verletzungen verurteilt wurden, soll veröffentlicht werden.
Sie können sich den Mitschnitt des Webinars inklusive eines umfassenden Frage-Antwort-Teils hier ansehen: